„Werden Sie wild, so oft es Ihnen beliebt, aber hüten Sie sich vor Ohnmachten.“ 

Ein Abend für Jane Austen

Geblümte Tischdecken, Lampions und Damen in langen Kleidern prägen das Bild am Abend des 18.06.2024. Die Dr.-Johanna-Decker-Schulen hatten zu einem „Abend für Jane Austen“ eingeladen und zahlreiche Gäste fanden sich in der ersten lauen Sommernacht des Jahres im Musiksaal und dem Schulgarten ein. Die Anwesenden konnten sich neben bezaubernden Klängen von Thomas Pöller am Klavier und Schulleiter Hans Kistler an der Klarinette auch auf einen enthusiastischen Vortrag von Karin Wildfeuer, Leiterin des Regensburger Literaturhauses und bekennender Jane-Austen-Fan, freuen. 

Den Anfang machte das musikalische Duo mit einem Stück von Alexander Glasunov (1865 – 1936): Méditation, op.32, Andante sostenuto. Im Anschluss nutzte Karin Wildfeuer die erste Hälfte des Abends dafür, den Zuhörerinnen und Zuhörern Jane Austens Leben näherzubringen. Die Tochter eines für damalige Zeiten ungewöhnlich modern denkenden Pfarrers wuchs mit ihrer Schwester Cassandra und fünf weiteren Brüdern zwar im Kreise des Landadels, aber dennoch wenig betucht auf. Karin Wildfeuer appelliert bereits zu Beginn an das Publikum, sich den Namen Cassandra zu merken. Sie spiele für Jane Austen als ihre engste Bezugsperson eine herausragende Rolle. Dem Briefwechsel mit ihr sei es auch zu verdanken, dass wir heute so viel über Jane Austen wüssten. Der Vater unterstützte Janes Lesefreude und schon bald sollte sie selbst zur Gänsefeder greifen und eigene Erzählungen verfassen. Die Jane-Austen-Expertin Karin Wildfeuer verdeutlichte den jüngeren Zuhörerinnen, wie mühsam das Schreiben zur damaligen Zeit war. Da die Industrielle Revolution noch auf sich warten ließ, kannte Austen weder ein Streichholz, noch ein Fahrrad und eben auch keinen Füllfederhalter.  

Sie veröffentlichte ihre Werke unter dem Pseudonym „By a Lady“, schickte es sich zur damaligen Zeit für Frauen eben nicht, zu schreiben. Während die Eltern heutiger Teenager froh seien, wenn die Kinder überhaupt zu einem Buch griffen, sei es zur damaligen Zeit nahezu verpönt gewesen, Romane zu lesen, so Wildfeuer.  

Doch nicht nur die Tatsache, dass Jane Austen selbst Romane schrieb, ist beinahe revolutionär. Auch ihre Ansichten die Liebe betreffend stehen den heutigen in nichts nach. Ihre Romanfiguren sehnen sich nach echter Liebe, eine Heirat der bloßen finanziellen Absicherung wegen steht nicht zur Debatte. Und da steht Jane Austen ihrem Figurenpersonal in nichts nach. Obwohl eine Eheschließung ihre Lebenssituation finanziell verbessert hätte, lehnte Austen Heiratsanträge ab, da eben die Liebe fehlte. Welch emanzipiertes Gedankengut! Jane Austen, eine Zeitgenossin der Gründerin der Decker-Schulen, Theresia Gerhardinger, starb bereits im Alter von 41 Jahren. 

Untermalt wurden Karin Wildfeuers kurzweilige und unterhaltsame Schilderungen durch Ludwig van Beethovens Romanze, op.50, Adagio cantabile und den Duke of Kent’s Waltz (1802). Letzterer wurde auf besonderen Wunsch der Referentin ins Programm aufgenommen, er ist ein Tanz aus Jane Austens Zeit. Mit diesen authentischen Klängen wurden die Gäste in die Pause entlassen.  

Im liebevoll geschmückten Pausenhof servierten die Schülerinnen der Klasse G11a unter der Führung der Lehrerinnen Silvia Schwarz und Clarissa Hirmer-Schroeder Häppchen, die auch zur Lebzeit von Jane Austen kredenzt wurden. Schottische Scones, traditionelle englische Gurken-Sandwiches oder kleine Pumpernickel mit schmackhaften Aufstrichen – die Anwesenden konnten sich gegen eine kleine Spende durch das vielfältige Angebot probieren, das viele fleißige Schülerinnen den gesamten Vormittag über zubereitet hatten, und sich so auch kulinarisch mit Jane Austen verbinden. 

Nach der Pause wurden die Gäste von Hans Kistler und Thomas Pöller musikalisch in Empfang genommen. Auch sie gaben einer großartigen Frau eine Bühne, indem sie Werke von Clara Schumann (3 Romanzen, op.22,1 Andante molto; op.22,2 Allegretto – mit zartem Vortrage) spielten. Zudem wurden Werke ihres Manns Robert Schumann (Märchenbilder, op.113, 4, Langsam, mit melancholischem Ausdruck; 1, Nicht schnell) im Verlauf des Abends vom Duo auf virtuose Art zum Besten gegeben. 

Karin Wildfeuer rückte nun Jane Austens Werke in den Fokus. Insgesamt sechs Klassiker, die allesamt der Weltliteratur zugerechnet werden können, stellte sie in einer so mitreißenden und unterhaltsamen Art vor, dass man sich sicher kein kann, dass der eine oder andere Austen-Roman in und um Amberg bald ausverkauft sein könnte. Ihre Begeisterung der Schriftstellerin gegenüber schwappte auf das Publikum über und gab immer wieder auch Anlass zum Schmunzeln. So machte sie die Anwesenden z.B. auf den humoristischen Beginn in „Stolz und Vorteil“ aufmerksam: „Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens sich nichts mehr wünschen muss als eine Frau.“ Obwohl es in der damaligen Zeit auf Grund des für Frauen äußerst nachteiligen Erbrechts eigentlich unerlässlich war, reich zu heiraten, kehrt Austen diesen Zusammenhang um und macht die Frau zum Objekt der Begierde. Wildfeuer schloss ihren Vortrag mit Jane Austens Zitat „Werden Sie wild, so oft es Ihnen beliebt, aber hüten Sie sich vor Ohnmachten“, einer Aufforderung, seine Frau zu stehen und sich die Zügel nicht aus der Hand nehmen zu lassen.  

Zuletzt ertönte noch ein Stück von Max Bruch (Romanze, op.85, Andante con moto) und entführte das Publikum in eine romantische Klangwelt, die die stimmige Gesamtkonzeption des Abends noch einmal untermalte.

Text: alk, Bilder: rom

Kopieren ist auf dieser Seite nicht gestattet.